Jakob von Wil "Totentanz"

Der Totentanz von Jakob von Wil

Das Regierungsgebäude des Kantons Luzern beherbergt einen bekannten barocken Bilderzyklus. Der Totentanz aus dem frühen 17. Jahrhundert besteht aus sieben grossformatigen Bildern, die in der obersten Galerie des Lichthofs aufgehängt sind.

Der Totentanz im Luzerner Regierungsgebäude ist wohl um 1610/15 entstanden und stellt für schweizerische Verhältnisse ein Meisterwerk des Manierismus dar. Aufgrund des Malstils kann der Luzerner Maler Jakob von Wil (gestorben 1618/19) als Urheber vermutet werden. Über sein Leben und Werk ist sehr wenig bekannt. Die Patrizierfamilie von Wil ist bis heute unvergessen als Stifterin der Wallfahrtskirche « Unserer Lieben Frau » in Hergiswald am Fusse des Pilatus.

Der Totentanz zeigt das seit dem 14. Jahrhundert bekannte Schema: Vertreter verschiedener Stände werden mit dem Tod in Gestalt eines Knochenmannes konfrontiert. Dieser tritt auf mit lockendem, tänzelndem Werben oder mit brachialer Gewalt, als Führergestalt oder als stiller Begleiter. Der sich über sieben Bilder sich von links nach rechts hinziehende Reigen besteht aus 23 Szenen. Die Figuren befinden sich auf einer Art Laufsteg. Die an eine Theaterbühne erinnernde Szene wurde wohl von der Luzerner Theaterkultur inspiriert.

Als Bildvorlage diente dem Totentanz besonders die Holzschnittserie «Bilder des Todes» von Hans Holbein d. J. aus den Jahren 1524/26, in geringerem Mass auch der Basler Totentanz von etwa 1440 und andere Werke. Der Maler ging souverän, teilweise auch frei mit den Motiven um; exquisit gemalt sind die reichen Stoffe, schimmernden Perlen und Metalle.

Standort

Regierungs- und Parlamentsgebäude des Kantons Luzern
Lichthof, 2. OG
Bahnhofstrasse 15
6003 Luzern

Im Regierungsgebäude liegt auch eine gedruckte Broschüre über den Totentanz von Jakob von Wil auf.

Beschreibung und Gegenüberstellung

Im Folgenden werden die einzelnen Szenen aus Jakob von Wils Totentanz beschrieben und mit den entsprechenden Tafeln von Hans Holbein d.J. "Bilder des Todes" verglichen.

Der Luzerner Totentanz - Beschreibung und Referenzen

"Vertreibung aus dem Paradies"

Jakob von Wil

Adam und Eva

Mit der Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies tritt der Tod in das Leben der Menschen. Nach dem Sündenfall (Eva hält den wurmstichigen Apfel noch in der Hand), betreten die Menschen die vergängliche Welt, voller Schmerz und Leid. Ein Orchester aus Skeletten empfängt Adam und Eva in dieser Welt.

"Die Vertreibung aus dem Paradies"

Hans Holbein

Jakob von Wils Komposition hat nur eine summarische Ähnlichkeit mit Holbeins entsprechendem Holzschnitt.

"Triumph des Todes"

Hans Holbein

Aus Holbeins Tafel 'Der Triumph des Todes' hat sich von Wil das trommelnde Gerippe entliehen.

"Papst"

Jakob von Wil

Der Papst

Mit dem Papst, gemäss der katholischen Ständeordnung des 17. Jahrhunderts, die oberste Autorität, beginnt der eigentliche Totentanz-Zyklus. Der Tod nähert sich dem Papst verkleidet als Kardinal, Gardist und Jakobs-Pilger. Diese Szene geht über zwei Tafeln hinaus, was darauf hindeutet, dass das Originalbild später in mehrere kleinere Tafeln unterteilt wurde.

"Der Papst"

Hans Holbein d. J.

Anregung durch die entsprechende Szene bei Holbein, in der ebenfalls ein Gerippe mit Kardinalshut erscheint.

"Der Kaiser"

Jakob von Wil

Der Kaiser

Nach dem Papst folgt der Kaiser. Ein muselmanischer Bote überbringt dem Kaiser ein versiegeltes Schreiben. In Wahrheit ist es jedoch der Tod, der sich als Bote verkleidet hat.

"Der Kaiser"

Hans Holbein

Jakob von Wil scheint bei dieser Szene keine Anleihen bei Holbein gemacht zu haben.

"Der Kardinal"

Jakob von Wil

Der Kardinal

Der Kardinal schaut nach links. In seiner rechten Hand hält er das Doppelkreuz des Patriarchen. Er bemerkt den Tod nicht, der hinter ihm steht und nach dem Kardinalshut, der Cappa magna, greift.

"Der Kaiser"

Hans Holbein

Körperhaltung und der Griff des Todes über seinen Schädel, um dem Kardinal den Hut zu nehmen, sind deutliche Referenzen an Holbeins 'Der Kardinal'.

"Der König"

Jakob von Wil

Der König

Beim König scheint es fast, als ob er mit dem Tod tanzt. Der Tod ergreift das Zepter, zerbricht es und fasst den König am Kragen oder am Herzen als möglichen Hinweis auf die Todesursache.

"Der König"

Hans Holbein

Auch dieses Bild von Hans Holbein d. J. scheint nicht als Vorlage für von Wils 'König' gedient zu haben.

"Die Kaiserin"

Jakob von Wil

Die Kaiserin

Der Tod nähert sich der Kaiserin als Jäger verkleidet. Ein Pfeil hat die Kaiserin in Unterleib getroffen, sie sinkt in die Knie. Die Hofdame versucht die Kaiserin mit duftenden Substanzen aus einem Riechkolben bei Bewusstsein zu halten, doch der Tod ergreift die Kaiserin bei der Schulter.

"Die Kaiserin"

Hans Holbein

Holbeins Darstellung dagegen zeigt die Kaiserin mit ihren Zofen in der Öffentlichkeit. Der Tod nähert sich als zerlumpte Gestalt.

"Die Königin"

Jakob von Wil

Die Königin

Die Königin schaut verträumt mit halb geschlossenen Augen nach unten. Der Tod hält ihr ein Stundenglas entgegen und ist im Begriff, sie mit einem Pfeil, der für die Vogeljagd verwendet wurde, hinterrücks zu erstechen.

"Die Königin"

Hans Holbein

Holbeins Darstellung dagegen zeigt die Königin mit einer Frau und einem Mann. Der Tod, verkleidet als Narr, tanzt um diese Gruppe.

"Der Bischof"

Jakob von Wil

Der Bischof

Der Bischof ist schon ein älterer Mann, der von einem grinsenden Tod weggeführt wird. Der Tod trägt eine rote Stola und einen roten Pieolus, der ihn als Kardinal ausweisen.

"Die Königin"

Hans Holbein

Die Anleihen an Holbein sind offensichtlich, wenn auch spiegelverkehrt: Ein alternder Bischof, ein fürsorglicher Tod, der die Hand des Bischofs stützt und zurückschaut, selbst die Beinstellung des Skelettes ist identisch.

"Der Herzog"

Jakob von Wil

Der Herzog

Der Herzog scheint mit dem Tod zu verhandeln. Der Tod greift nach dem Hut und verlangt die Urkunde mit den Rechtstiteln des Herzogs.

"Der Fürst"

Hans Holbein

Die Ähnlichkeiten in der Kleidung des Herzogs von Jakob von Wil zu Holbeins Fürst sind offensichtlich aber auch die abwehrende Haltung, obwohl diese sich bei Holbein wohl gegen die bettlende Frau mit dem Kind richtet.

"Der Abt"

Jakob von Wil

Der Abt

Der (Benediktiner-) Abt ist in das Gebetsbuch vertieft, während der Tod sich seiner Insignien, Mitra und Stab, bemächtigt und den Abt bei der Hand nimmt.

"Der Abt"

Hans Holbein

Haltung und Ausstattung des Todes sind bei Holbein und von Wild sehr ähnlich, beim Abt hatte sich Holbein jedoch für eine etwas weniger respektvolle Darstellung entschieden.

"Die Äbtissin"

Jakob von Wil

Die Äbtissin

Das Gesicht der Äbtissin ist schmerzverzehrt und sie scheint den Himmel anzuflehen, der Tod aber zerrt sie am Schleier und hält ihren Stab in der Hand.

"Die Äbtissin"

Hans Holbein

Schon bei Holbein zerrt der Tod die Äbtissin am Skapulier weg. Auch der Gesichtsausdruck der Äbtissin ist sehr ähnlich.

"Der Pfarrer"

Jakob von Wil

Der Pfarrer

Der Pfarrer, selbst auf dem Weg zu einer kranken oder sterbenden Person, trägt die Monstranz. Der Tod begleitet ihn als Ministrant verkleidet. Bemerkenswert in diesem Bild ist die Häufung von Symbolen der Vergänglichkeit: Totenglocke, ungeschütztes Sturmlicht, Sanduhr und Monstranz mit Kreuzigungsszene.

"Der Priester"

Hans Holbein

Von Wils Darstellung unterscheidet sich nur in wenigen Details der Kleidung von Holbeins Vorlage.

"Der Ratsherr oder Richter"

Jakob von Wil

Der Ratsherr

Der edel gekleidete Ratsherr oder Richter zeigt mit seiner rechten Hand eine abwehrende Haltung dem Tod gegenüber, seine linke legt er jedoch in dessen Knochenhand. Der Tod dagegen greift nach der Uhr (Vergänglichkeit), die der Ratsherr am Herzen (Todesursache?) trägt. Hammer und Beil des Todes, weisen ihn als Steinmetz aus. Dies könnte als Referenz an Schultheiss Lux Ritter, der rund 60 Jahre zuvor verstorben war, kurz nachdem er den am Ritterschein Palast beschäftigten Meistersteinmetz Johannes Lynzo zum Tode verurteilt hatte.

"Der Ratsherr"

Hans Holbein

Hier sind, abgesehen von der damals üblichen Gesichtsbehaarung dieses Standes, keine Parallelen zu Holbeins Edelmann auszumachen.

"Der Kriegsmann"

Jakob von Wil

Der Söldner

Der Söldner oder Krieger kämpft mit einem Schwert gegen den Tod, der als Bogenschütze verkleidet den tödlichen Pfeil in der einen Hand hält, während er mit der anderen Hand den Arm des Krieges festhält.

"Der Kriegsmann"

Hans Holbein

Bei Holbeins Vorbild ist der Tod mit einem Knochen bewaffnet, während von Wil ihm einen Pfeil in die Hand gibt. Der Kriegsmann selber jedoch ist in Haltung, Bewaffnung und Rüstung in beiden Darstellungen fast identisch.

"Das Brautpaar"

Jakob von Wil

Das Brautpaar

Während der Bräutigam, ein junger Patrizier, selbstbewusst und stolz posiert, schenkt ihm der Tod den vergifteten Trunk ein. Die Braut, als junge Patrizierin, mit allem Prunk bekleidet, wird vom Tod wie im Tanz verführt.

"Das neue Ehepaar"

Hans Holbein

Auch in dieser Szene sind kaum Parallelen zu Holbeins Darstellung zu finden.

"Die Jungfrau"

Jakob von Wil

Die Jungfrau

Die Jungfrau besitzt viel Schmuck und edle Kleider. Zwei als Zofen verkleidete Skelette assistieren ihr bei Ankleiden, die eine aber hält der Jungfrau das Stundenglas vor Augen.

"Die Gräfin"

Hans Holbein

Holbeins Gräfin (oder Braut) wird ebenfalls von zwei Zofen bedient, besitzt viel Schmuck und teure Kleider. Es bestehen Ähnlichkeiten, wenn auch nur summarisch.

"Der Kaufmann"

Jakob von Wil

Der Händler

Der Kaufmann ringt offen mit dem Tod. Es scheint fast, als ob ihm sein Reichtum, an den er sich krallt, wichtiger ist, als sein eigenes Leben. Auffallend hier: der flammende Atem des Todes als Hinweis auf die mögliche Todesursache: eine Lungenkrankheit.

"Der Kaufmann"

Hans Holbein

Auch hier entlieh sich von Wil einige Element aus Holbeins Stich: Der Griff nach dem Gold, Fass, Stoffballen, der Mann im Hintergrund, der entsetzt flieht.

"Der Maler"

Jakob von Wil

Der Künstler

Der Maler, wohl ein Selbstbildnis von Jakob von Wil, blickt abwesend und wehmütig aus dem Bild. Der Tod steht neben ihm, liest in einem Folianten und schlägt dem Künstler auf dem Triangel die letzte Stunde.

Kein Entsprechung

Für von Wils Bild 'Der Maler' findet sich bei Holbein keine Entsprechung. Damit ist diese Szene wohl eine Eigenkomposition, was die Vermutung unterstützt, dass es sich um ein Selbstporträt handelt.

"Der Krämer"

Jakob von Wil

Der Krämer

Der Krämer möchte seines Weges gehen, doch der Tod hält ihn zurück. Am Boden liegt eine Waage, als Symbol für Gerechtigkeit.

"Der Landkrämer"

Hans Holbein

Auch diese Szene ist im Spiegelbild fast identisch mit Holbeins Vorbild.

"Der Bauer"

Jakob von Wil

Der Bauer

Der Bauer scheint die Hand des Todes willkommen zu heissen, als ob er sich nach einem Leben voller harter Arbeit und Mühsal nach dieser Erlösung sehnen würde.

"Der Landkrämer"

Hans Holbein

Von Wils Darstellung des Bauern weicht deutlich von der Holbeins ab. Von Wils Werk kann als eigenständig betrachtet werden.

"Der Krüppel"

Jakob von Wil

Der Bettler

Der Krüppel quält sich, auf einem Bein humpelnd und mit leidgeprüftem Gesicht. Der Tod, ebenfalls als Bettler mit Holzbein verkleidet, tänzelt um ihn herum und führt den Bettler an einer Leine fort.

"Der Blinde"

Hans Holbein

Während von Wil einen Krüppel malte, entschied sich Holbein für einen Blinden. Parallelen sind nur im Tod zu finden, der eine ähnliche Körperhalt hat, zurückblickt, den Blinden am Stock und den Krüppel an der Leine führt.

"Das Kind"

Jakob von Wil

Das Kind

Das Kind, mit einem Windrad in der Hand, beendet den Totentanzzyklus. Während die Mutter oder Amme das Kind beschützen möchte, also ob sie sagen wollte «Nicht das unschuldige Kind!», zeigt ihr der Tod den Apfel aus dem ersten Bild des Zyklus', das Symbol der Erbsünde, die ihn bemächtigt, jeden und jede zu holen – auch ein unschuldiges Kind.

"Das Kind"

Hans Holbein

Auch beim Kind machte von Wil keine Anleihen bei Holbein. Holbeins Kind wird vielmehr vom Tod aus dem ärmlichen Elternhaus weggeführt.